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Presseartikel

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Zwangseinweisungen in Krisen mehr als verdoppelt

Fachleute kritisieren die mangelhafte ambulante Versorgung psychisch Kranker. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Zwangseinweisungen mehr als verdoppelt.

Psychische Erkrankungen wie Depressionen nehmen zu, doch auf Hilfe müssen Betroffene oft lange warten. Für die Mitarbeiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes der Stadt ist es eine erschreckende Entwicklung: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Zwangseinweisungen psychisch Kranker nach dem Niedersächsischen PsychKG in Braunschweig auf 818 Fälle mehr als verdoppelt.

Einen Grund sehen Braunschweiger Fachleute im Fehlen niedergelassener Nervenärzte. „Aus unserer Sicht ist ein Zusammenhang mit den Versorgungsmängeln offensichtlich“, heißt es in einer Stellungnahme sozialer Einrichtungen. Mindestens drei Monate müssten Patienten auf einen Arzttermin warten. Bei Psychotherapeuten könne es sogar bis zu 15 Monate dauern. „Es ist schwierig, zeitnah einen Arzt zu finden“, benennt Edgar Hahn, Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes im Gesundheitsamt, die Misere. Die Folge: Psychische Krisen spitzen sich zu – im Extremfall bis hin zur Zwangseinweisung etwa wegen Suizidgefahr.

Angesichts des dramatischen Anstiegs solcher Zwangsunterbringungen plädieren Akteure der sozialpsychiatrischen Versorgung an die Kassenärztliche Vereinigung, sich bei der Arzt-Planung nicht nur an der Bevölkerungszahl, sondern an der Krankheitsentwicklung zu orientieren – und damit an der wachsenden Zahl von Menschen in psychischen Krisen. Trennung vom Partner, der Tod eines nahestehenden Menschen, der Verlust von Arbeitsplatz oder Wohnung – all das könne Menschen in ihren Grundfesten erschüttern, weiß Hahns Stellvertreter Michael Lange. Auch das Wegbrechen Halt gebender gesellschaftlicher Strukturen macht er als eine Ursache für eine Zunahme psychischer Erkrankungen wie etwa Depressionen aus.

Sicher sei es ein Problem, dass bei der Bedarfsplanung eine veränderte Krankheitshäufigkeit nicht genug berücksichtigt werde, räumt Stefan Hofmann, Geschäftsführer der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Braunschweig, ein. Gäbe es mehr Ärzte, müssten die Kassen mehr Geld zahlen. „Sonst teilen sich nur mehr Ärzte für mehr Patienten das gleiche Geld.“

KV-Vorsitzender Dr. Thorsten Kleinschmidt macht allerdings noch eine andere Tendenz aus: Auch sogenannte Befindlichkeitsstörungen führten im Zeitalter von Google & Co zu längeren Wartezeiten. „Dadurch fehlt leider wertvolle Zeit für behandlungsbedürftige Patienten.“

Nicht allein die ambulante ärztliche Versorgung steht bei Fachleuten in der Kritik: Was laut Michael Lange fehlt, ist – nach Berliner Vorbild – ein rund um die Uhr erreichbarer Krisendienst mit Nothilfe-Nummer. Denn abends oder nachts, wenn der Sozialpsychiatrische Dienst nicht mehr erreichbar ist, drohe Menschen, die Nachbarn, Familie oder Polizei als gefährdet auffallen, eher die Zwangsunterbringung im Krankenhaus. „Tagsüber haben wir mehr Zeit, Krisen-Situationen einzuschätzen und eventuell durch Gespräche zu befrieden.“ Ein weiteres Problem: Die Psychiatrie an der Salzdahlumer Straße ist in der Regel zu hundert Prozent ausgelastet, wie Klinikum-Sprecherin Marion Lenz bestätigt. Mangels anderer Anlaufstellen komme es abends und nachts auch hier für Menschen in psychischen Notsituationen zu längeren Wartezeiten.

„Fünf Stunden sind nicht einmalig“, weiß Lange. Schlimm sei es, wenn in der Stadt viel Alkohol fließe. Denn in der Psychiatrie-Aufnahme landen auch die Patienten mit Alkoholvergiftungen oder aggressivem Verhalten.

 

ZWANGSEINWEISUNG

Das Niedersächsische Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (NPsychKG) regelt die psychiatrische Unterbringung eines Menschen auch gegen seinen Willen.

Zulässig ist die Zwangsunterbringung nur dann, wenn von dem Betroffenen wegen Krankheit oder Behinderung eine erhebliche Gefahr für sich oder andere ausgeht und diese Gefahr auf andere Weise nicht abgewendet werden kann (§16).

Der Sozial-Psychiatrische Dienst der Stadt kann den Betroffenen bis zu 24 Stunden auch ohne richterliche Entscheidung vorläufig in ein Krankenhaus einweisen lassen (§18).

 

Quelle: Bettina Thoenes, Braunschweiger Zeitung Online (15.01.2014), erschienen in der Braunschweiger Zeitung am 16.01.2014

 

 

 

Eigene Fähigkeiten neu entdecken …

Unter diesem Motto besuchten wir Ende Januar diesen Jahres mit einer kleinen Gruppe das PHAENO in Wolfsburg. Im Fachbereich Soziotherapie werden derzeit 105 Menschen in Form von betreutem Einzelwohnen von ambet begleitet. Darüberhinaus gibt es einige Gruppenangebote, sowie ab und zu kleinere Ausflüge.

Viele unserer Klienten in der Soziotherapie, leiden unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die nicht selten durch unlösbare Konflikte und Belastungssituationen, oftmals schon im Kindes- und Jugendalter entstanden sind, und sich jetzt im Erwachsenenalter z.B. in Form von vermindertem Selbstvertrauen- und Selbstwertgefühl, Versagensängsten, Depressionen, einer verminderten Belastbarkeit bis hin zu Verdrängung und Abspaltung von Emotionen und Bedürfnissen zeigen können. Folgen davon sind nicht selten auffälliges Verhalten oder sozialer Rückzug.

Dem entgegenzuwirken, vorhandene Fähigkeiten und Ressourcen wiederaufzufinden und zu stärken, den Mut zu fördern sich wieder etwas zuzutrauen, die Wahrnehmungsfähigkeit zu stärken, aber auch die Herstellung eines „realistischen“ Umgangs mit Umwelt u.v.m. mehr sind Aufgaben der SozialarbeiterInnen im betreuten Einzelwohnen (Soziotherapie) bei ambet.

Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, dass ein Besuch in einem Science-Center, wie dem PHAENO Wolfsburg ideale Vorraussetzungen bietet, diese Ziele einmal in einem anderen Kontext umzusetzen.

Nachdem wir von PHAENO Geschäftsführer Dr. Guthardt begrüßt wurden, begleitete uns ein PHAENO Mitarbeiter durch die Ausstellungsfläche und erklärte uns die unterschiedlichen Experimente.
In einer bewusst klein gewählten Gruppe, sollte jeder die Möglichkeit erhalten, sich anhand der vielen unterschiedlichen Exponate selbst auszuprobieren, neue Erfahrungen zu sammeln, Erfolgserlebnisse zu haben, sich wieder etwas zuzutrauen und einfach Spaß zu haben.

Darüberhinaus bietet das PHAENO die Möglichkeit sich auf praktische und gleichzeitig spielerische Art mit den Grundfertigkeiten, wie Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer, Problemlösungsverhalten etc. auseinanderzusetzen. Durch das gemeinsame Gruppenerleben werden soziale Kontakte und Kompetenzen gestärkt und gefördert, die so in der Einzelbetreuung nicht möglich wären.

In ihrem Alltag leben die Betroffenen häufig in einer gewissen "Gleichförmigkeit", in der die Gedanken oftmals um die persönliche Grundproblematik kreisen. Hier ist es hilfreich, sich einmal mit gänzlich anderen Dingen zu beschäftigen, neue Ideen zu entwickeln, Hirnleistungen zu trainieren oder einfach zu staunen und zu wundern.
"Wenn ich nicht nur über meine Lebensprobleme "nachgrübele", sondern in einer Versuchsanordnung erlebe, wie die Ruhe meines Geistes die Kraft hat, einen Ball zu bewegen, so wird dieses Erleben auch seinen Teil dazu beitragen, dass mein Denk- und Verhaltensrepertoire auch für den Alltag ein Stück erweitert wurde.

In diesem Sinne hat sich unsere Besuchergruppe vom Phaeno verzaubern lassen."